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14. Oktober 2012

Lance Armstrong war gedopt und Mitt Romney leugnet.
Glücklich, wer darüber erstaunt oder gar entsetzt ist.
Ehrlich würden Sie Romney, so wie der auf seiner Campaignwebseite dreinschaut, einen Gebrauchtwagen abkaufen?
Ich würde es nicht tun, aber in der Marktwirtschaft sind wir alle frei.

Wir sind frei unser Glück zu verfolgen, unseren Erfolg anzustreiben, wer fragt den Sieger schon mit welchen Mitteln er gesiegt hat? Sie erinenrn sich noch an den Sieg von G.W. Bush gegen Al Gore in Florida, wo es vornehm ausgedrückt zu «Unregelmässigkeiten» gekommen war; war nicht der Gouverneur von Florida der Bruder des späteren Wahlsiegers. Es sind Erfolg und Leistung, die zählen.
Wo aber Erfolg und Leistung alleine zählen, und sie das Zählbare und damit auch das Zahlbare sind, wo die Ergebnisse allein zählen und nicht nach dem Weg gefragt wird, auf dem sie erzielt wurden, da gehört der Betrug mit ins System.
Betrug, das meint nur jene Wege zum Erfolg, die noch nicht legal sind oder nicht mehr; Ehrlichkeit also nur eine Frage der Kräfteverhältnisse? Nun Ehrlichkeit ist ganz einfach, sich nicht erwischen lassen bei der kreativen Auslegung von Regeln. Sie erinnern sich vielleicht an Riccaut de la Marlinière? Nein? Sie erinnern sich nicht, nun macht nichts, man kann sich nicht an alles erinnern:) Er ist ein Leutnant, der in Ephraim Lessings Kommödie «Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück» auftritt mit seinem Accent belustigt und den denkwürdigen Satz sagt: «Corriger la fortune, l'enchainer sous ses doits, etre sûr de son fait, das nenn die Deutsch betrügen? betrügen! O, was ist die deutsch Sprak für ein arm Sprak! für ein plump Sprak!»
Riccaut ist ein schlauer Fuchs, der das Glück, das ihm nicht immer hold ist zu sich herunterzwingt, so wie Lance Armstrong es jahrelang getan hat. Und wie immer bei den biederen Saubermänner ist die Hinterseite schmutzig und voller Gewalt und Drohungen. So ist es auch bei der Politik, jeder weiss, was Romney machen wird, aber erzählt am Fernsehen das pure Gegenteil, er wirbt um Vertrauen, aber eben wie gesagt, kaufen Sie ihm nicht mal eine Schrottlaube ab :)
Guy Debord hat uns früh über dieses Phänomen unserer Kultur aufgeklärt. Aber wer liest schon sein Buch «Die Gesellschaft des Spektakels», in welchem die neoliberale Dekonstruktion der politischen Öffentlichkeit und das Aufleuchten eine endlosen, das sich selbst geschichtslos wähnenden Spassgesellschaft analysiert wird, zu einem Zeitpunkt als der Neoliberalismus sich gerade anschickt, den scheiterenden Fordismus abzulösen.
Lance Armstrong mutmasslicher siebenmaliger Tour de France Betrüger, pardon wollte sagen, Sieger, war die genau richtige Strahlefigur zur richtigen Zeit. Der neoliberale Denkstil braucht genau solche Heldenfiguren: Hodenkrebs, welcher Mann zuckt bei dieser Nennen nicht zusammen. Die Krankheit besiegt, die Berge hochgestürmt, im Zeitfahren die Konkurrenz platt gefahren und so weiter. Sollte Amrstrong disqualifiziert werden, dann würde ihm auf dem ersten Platz der Tour von 2000 allerdings mit Jan Ullrich nur ein weiterer Dopper folgen. Obwohl das alle, wirklich alle wissen, wissen können, will es keiner wirklich wissen wollen.
Denn alles muss weiterhin möglich sein in dieser Kultur, daran muss man glauben können, sonst hätte die eigene tägliche Schufterei mit einem Mal ja keinen Sinn mehr. Man denke nur einen Augenblick darüber nach, dass die Chefs möglicherweise nicht aufgrund ihrer ausgewiesenen Leistungen chefen und scheffeln, sondern aufgrund krummer Machenschaften, wenn das so wäre, ja wenn das wirklich so wäre, ja dann ....
Und so will ich das denn alles nicht so genau wissen wollen, damit weiterhin alles möglich bleibt in meinem Leben, sogar der Lottogewinn. Und alles ist ohne Zweifel in dieser Kultur auch möglich. Wer hätte das gedacht, dass Tepco, Sie erinnern sich: das ist jenes Unternehmen, welches das Atomkraftwerk Fukishima betreibt, welches am 11. März 2011 eine Kernschmelze erlebte nach einem schweren Erdbeben und daruaffolgendem Tsunami,
Auf der Webseite «Tageschau.de» (http://www.tagesschau.de/ausland/fukushima718.html /Abfrage vom 14. Oktober 2012) kann man lesen:
«Tepco spielte Tsunami-Gefahr bewusst herunter

Mehr als eineinhalb Jahre nach dem Atomunglück von Fukushima hat die Betreibergesellschaft Tepco die bewusste Verharmlosung der Gefahren eingeräumt. Das Unternehmen erklärte in einem Bericht, das Risiko heruntergespielt zu haben, um eine Schließung des Atomkraftwerks aus Sicherheitsgründen zu vermeiden.
"Es gab eine latente Angst vor einer Schließung", heißt es in dem Bericht "Fundamentale Politik für die Reform der Tepco Atomenergie-Organisation". Wären vor dem Unglück weitreichende Sicherheitsmaßnahmen angeordnet worden, so hätte dies den Eindruck erweckt, Atomkraftwerke seien nicht sicher.
AKW-Betreiber glaubten an "Mythos der atomaren Sicherheit"
Ein von der japanischen Regierung eingesetzter Untersuchungsausschuss hatte das Unglück Anfang Juli als vermeidbar und deshalb als "von Menschen verursachte Katastrophe" bezeichnet. Das Atomkraftwerk sei damals "verwundbar" gewesen. Die Kraftwerksbetreiber und die Regierung hätten die tatsächlichen Gefahren aber nicht wahrgenommen, weil sie dem "Mythos der atomaren Sicherheit" geglaubt hätten, heißt es in dem Bericht.
In den vergangenen Monaten hatte Tepco den beinahe 15 Meter hohen Tsunami, der nach einem Erdbeben der Stärke 9 über das Kraftwerk hereinbrach, immer wieder als "unvorhersehbar" bezeichnet. Das Beben und der nachfolgende Tsunami vom 11. März 2011 hatten in Fukushima zur Kernschmelze geführt. Große Gebiete wurden radioaktiv verseucht. Inzwischen hat die Regierung in Tokio den Ausstieg aus der Atomkraft bis zum Jahr 2040 beschlossen.»
Nun sicher im Sinne des Wortes sicher, sind ja die Atomkraftwerke nicht wirklich gewesen, aber das einzugestehen wäre ungeschickt gewesen und hätte den Eindruck erweckt, hier würden Anlagen betrieben, die man nicht wirklichin jeder Situation im Griff habe. Genau so ist es allerdings.
Stehen wir also vor einem moralischen Scherbenhaufen, sind allesamt nur noch Lügner und Betrüger? Man kann das so sehen, muss es aber nicht. Wir können es auch so sehen, dass das Streben nach Erfolg, Gewinn und Profit, kurz alle jene Tugenden, die den Shareholdervalue ausmachen, eben dazu führen, dass diesen moralischen Zielen alles andere untergeordnet wird. Wir würden dann vielleicht sagen, dass wir das so nicht wollten. Dann würden wir feststellen, dass wir dazu gar nichts zu sagen haben, weil uns ja diese Gesellschaften, die solches tun, Meere verseuchen, Menschen vernichten, Wälder zerstören und dergleichenmehr uns gar nicht zu eigen sind. Als Privateigentum gehören sie wieder anonymen Aktiengesellschaften, die wieder Aktiengesellschaften gehören, die wieder im Besitz von Aktiengesellschaften sind. An der Spitze solcher Unternehmer steht eine manageriale Söldnertruppe, die um der ihnen versprochenen Prämien alles tut, um den moralischen Wert des Kapitals – es kennt in der Tat nur einen einzigen, den Profit, das ist der realisierte Mehrwert auf das investierte Kapital – zu verwirklichen.
Eine gigantische ideologische Maschinerie erklärt uns, dass die Freiheit des Marktes die Freiheit der Menschen bedeute, sie erklärt uns auch, dass jene Finanzprodukte, die eine wichtige Ursache der heutigen Weltwirtschaftskrise bilden, die Dreivare, ja uralt sind. Die NZZ am Sonntag schlagzeilt auf Seite 8 ihres Bundes «Derivate»: «Spekulation gibt es seit den alten Griechen» und neben dem Artikel steht ein Kaste übertitelt mit «Geschichte der Derivate», worin ich lesen 1700 vor Christus «Händler im alen Mesoptamien bieten ihren Kunden an, zu vereinbarten Zeitpunkten und Preisen Sklaven und landwirtschaftliche Erzeugnisse zu kaufen».
Man könnte auch Dieter Graeber lesen (Graeber, David. 2011. Debt. The First 5000 Years. Brooklyn, New York: Melville House Publishing.) dort würde über die Marktwirtschaft eine etwas andere Geschichte erzählt.
In der Menge und der Vielfalt dessen, was uns medial begegnet, ist es nicht einfach eine Übersicht oder gar einen Durchblick zu erhalten und zu verstehen, worum es denn geht. Information findet nicht mehr statt. Information wird im kybernetischen Sinn verstanden, als ein Unterschied, der einen Unterschied macht und die analytische Kompetenz eines reflexiven Systems erhöht. Das, was Information genannt wird, erfüllt diese Funktion kaum mehr und  ist zu einer Art Endlosschleife verkommen, wo das Neue und das Andere keinen Unterschied mehr machen, sondern nur noch die Gier, die Neugier auf Neues, auf Anderes motivieren, ohne dass die dergestalt mit Information, bzw. eben Spektakeln versorgte Öffentlichkeit lernen könnte. Es sit eine ähnliche Situation eingetreten wie bei der Drogensucht. Was einst der psychodelischen Erweiterung der Persönlichkeit dienen sollte ist zur Sehnsucht nach dem nächsten Kick verkommen. Information ist Infotainment, ist Spektakel geworden. Guy Debord hat vor Jahrzehnten die Analyse dieser Situation geliefert: Debord, Guy. 1996. Die Gesellschaft des Spektakels. Berlin: Tiamat. Guy Debord stellt seinem Buch ein Zitat von Ludwig Feuerbach voran aus der Vorrede zur Zeiten Auflage von «Das Wesen des Christentums» «Aber diese Zeit zieht das Bild der Sache vor, die Kopie dem Original, die Vorstellung der Wirklichkeit, den Schein dem Wesen ... Heilig ist ihr nur die Illusion , profan aber die Wahrheit», so konnte man in der Mitte des 19. Jhrhunerts noch schreiben, und zwischen Schein und Wesen unterscheiden, mehr als hundert Jahre später allerdings beginnt Guy Debord sein Buch mit folgendem Paukenschlag:
«Das ganze Leben der Gesellschaften, in denen die modernen Produktionsbedingungen herrschen, erscheint als eine ungeheure Ansammlung von Spektakeln. Alles, was unmittelbar erlebt wurde, hat sich in ist in eine Vorstellung entwichen.
Die Bilder, die sich von jedem Aspekt des Lebens abgetrennt haben, verschmelzen in einem gemeinsamen Lauf, in dem die Einheit des Lebens nicht wieder hergestellt werden kann. ... Das spektakel überhaupt ist, als konkrete Verkehrung des Lebens, die eigenständige Bewegung des Unlebendigen».
Alles, was unmittelbar erlebt wurde, ist in eine Vortellung entwichen. Wird damit nicht das Bilderverbot verletzt, das uns sagt, dass wir uns kein Bild machen sollen ...
Nun inzwischen sind die Bilder und die Vorstellung wichtiger geworden als das Erlebte


Wissen ist zur Ware geworden in der Wissensgesellschaft
Der Spiegel online schlagzeilt
«Schavan wher sich gegen Plagiatsvorwürfe»
(http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/plagiatsaffaere-schavan-wehrt-sich-gegen-taeuschungsvorwurf-a-861212.html / Abfarge 14. 10 2012)
Am 10. 10. 2012 hatte ein Plagiatsjäger mit deem Psydonym Robert Schmidt seine Plagiartvorwürfe gegen die Doktorarbeit der deutschen Bildungsministerin Annette Schaven bekannt gemacht (vgl. http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/plagiatsverdacht-gegen-schavan-doktorarbeit-mit-freud-schwaeche-a-860446.html / Abfrage 14. 10. 2012), auf jener Seite ist auch ein Link angegeben zur Plagiatsanalyse.
Es ist interessant, dass der Streit um die Plagiate in letzten Jahren sehr an Brisanz zugenommen hat. Er scheint parallel dazu zu verlaufen, dass die akademischen Titel durch die Öffnung der Akademie inflationär geworden sind, weil immer mehr Menschen ihren «Doktor» machen. Das Bologna-System wird diesen Trend noch verschärfen. Es wird ohne Zweifel bald akademische Harddiscounte geben. Schon heute können beispielsweise DokrtorandInnen am Institut für Erziehungswissenschaft, die im Doktorartsprogramm sind, durch institutseigene Aktivitäten, etwa als MittelbauvertreterInnen in der Institutskonferenz, Punkte erlangen. Dagegen ist ja grundsätzlich nichts zu sagen. Ein ECTS-Punkt entspricht mit lokalen Schwankungen europaweit ungefähr 30 Arbeitsstunden und die Teilnahme an Institutskonferenzen ist sicher Teil einer akademischen Sozialisation. Da die DoktorandInnen bezahlte Stellen innehaben (meist sind es Anstellungen zu 50 %) sind solche ECTS-Punkte auf eine bestimmte Art auch so etwas wie Lohnbestandteile.
Früher oder später werden sich die Universitätsrankings deutlicher abbilden und ein Abschluss an einer höhrer gewerteten Universität wird höhre gewertet werden, als an einer tiefer gewerteten. Vor einigen Jahren kursierten Berichte über Ritalingebrauch von Studierenden bei Prüfungen. Die Frage ist selbstverständlich, ob unter Beibehalten des meritokratischen Systems vielleicht die Studierenden bald Urin- und Blutproben abgeben sollten, wenn sie zur Prüfung antreten, bzw. das Prüfungszimmer wieder verlassen. Der medizinischen Analytik beginnen sich neue Geschäftsfelder zu öffnen.
Eine Zeit, die alle Werte zur Ware gemacht hat, ist selbstverständlich eine Zeit des Plagiats und damit eine der Verteidigung des Copyrights, da jeder Dieb sein Gestohlenes zum staatlich geschützten Eigentum machen will. Guy Debord schreibt in § 207 der Gesellschaft des Spektakels «Die Ideen verbessern sich. Der Sinn der Wörter trägt dazu bei. Das Plagiat ist notwendig. Der Fortschritt impliziert es. Es hält sich dicht an den Sazt eines Verfasser, bedient sich seiner Ausdrücke, beseitig eine falsche Idee, ersetzt sie durch die richtige». Karl Theodor von Guttenberg hätte das wohl gerne gehört, allein, er versteifte sich daruf, nicht abgeschrieben zu haben. Nun ich weiss nicht, mein damaliger Philosophielehrer am Gymnasium war Walter Rober Corti – er war der Lichtblick einer eher düsteren Gymnasialzeit, obwohl ich gerne zur Schule ging, war ich ein miserabler Schüler und ständig davon bedroht rausgeworfen zu werden – sagte in einer seiner Stunden, dass wohl seit den Vorsokratikern nur ganz wenig neue Ideen gedacht worden wären. Zuerst war ich darüber sehr betrübt, wenn alles schon einmal gesagt worden war, was gab es noch Neues zu sagen. Als ich dann das erste Mal das Gefühl hatte, ich hätte wirklich eine neue Idee gedacht, da war ich so erschrocken, dass ich dankbar alle möglichen Traditionsfäden aufgriff, die mir halfen, diese Idee zu rechtfertigen, einzuordnen in eine Tradition des Denkens und so weiter und ich stellte mich als Zwerg auf die Schultern von Riesen und gab vor weiter als jene zu sehen. Inzwischen habe ich meine eigene Kurzsichtigkeit akzeptiert und bin froh, noch etwas zu sehen.
Debord verteidigt die Entwendung, weil sie das tote Zitat wieder lebendig macht, in neue Zusammenhäng einsetzt, es wieder belebt als neuer Gedanke, der auch ein alter ist, der aber vor allem ein gemeinsamer Gedanke ist. Ludwik Fleck hatte schon ein halbes Jahrhundert davor darauf hingewiesen, dass ein Gedanke, der in einem Denkkollektiv kreist, sich stets verändert so dass schliesslich niemand mehr sagen könne, Urheber des Gedankens gewesen zu sein. Das Denkkollektiv ist der Alptraum des kleinbürgerlichen Intellektuellen, der am liebsten jeder seiner geistigen Abwinde patentieren lassen würde, da die Leere des Geistes eine eine Obstipation der Produktion zur Folge hat, geistige Korinthenkackerei.
Das freilich rechtfertigt den Betrug nicht, kann ihn niemals rechtfertigen. Es erklärt ihn nur als logische Folge des geistigen Eigentums. So wie das private Eigentum als seine Kehrseite den Diebstahl kennt, kennt das geistige Eigentum als seine Kehrseite das Plagiat. Es ist unvermeidbar.