13. April 2012
Freitag der Dreizehnte.
Die Alarmglocken läuten in der NZZ, in der Rubrik «Meinung & Debatte», auf Seite 23 ist geradezu die Freiheit nach Meinung von Michael Schönenberger bedroht. Der Autor Inlandredaktor der NZZ hält fest: «Im liberalen Staat gibt es kein Recht auf Einkommen. Es gibt aber das Recht auf Freiheit von staatlichem Zwang. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen würden indes neue Zwangsverhältnisse geschaffen, die die Menschen in direkte Abhängigkeit vom Staat führen». Es geht, man ahnt es um die angekündigte Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Schweiz.
Interessant, wie jemand auf solche Gedanken kommen kann, dass so etwas die Freiheit bedrohen könnte und weshalb hier immer gerade vom staatlichen Zwang sprechen, es gibt doch auch die Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit, aus welcher ein durchaus freiwilliges Handelns sich motivieren kann.
Aber wo er recht hat der Autor, da hat er recht. Tatsächlich schützt der liberale Staat grundsätzlich und vor allem anderen immer das Recht auf Eigentum, so wie John Locke (1632 - 1704), der in seinem 1689 anonym publizierten Buch «Two Treatises of Government» im seinem zweiten BAnd den menschlichen Naturzustand beschreibt:
«To understand political power right, and derive it from its original, we must consider, what state all men are naturally in, and that is, a state of perfect freedom to order their actions, and dispose of their possessions and persons, as they think fit, within the bounds of the law of nature, without asking leave, or depending upon the will of any other man».
(http://en.wikisource.org/wiki/Two_Treatises_of_Government/The_Second_Treatise_of_Government:_An_Essay_Concerning_the_True_Origin,_Extent,_and_End_of_Civil_Government#Chap._II._Of_the_State_of_Nature. / Abfrage 13.4. 2012).
Dieser Satz heisst wörtlich übersetzt ungefähr, «um die politische Macht richtig zu verstehen und sie von ihrem Ursprung her herzuleiten, müssen wir bedenken, in welchem Zustand die Menschen sich natürlicherweise befinden, und das ist ein Zustand vollkommener Freiheit, ihre Handlungen zu ordnen und über ihre Einkommen zu verfügen, so wie sie denken dass diese zu den Gesetzen der Natur passen und ohne jemanden anderen Erlaubnis einzuholen oder von dessen Willen abhängig zu sein».
Jede Institution, die Dauer erlangen will muss sich in Vernunft und Natur einschreiben, so wie es hier geschieht. Darauf hat Mary Douglas hingewiesen, in einem auch sonst sehr lesenswerten Bucht «Wie Institutionen denken» (Douglas, Mary. 1991. Wie Institutionen denken. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag), als sie dargelegt hat, dass Institutionen dann zeitlich überdauernd ihre Gestalt wahren können, wenn sie sich in Vernunft und Natur gleichermassen zu verankern verstehen und diese Verankerung stets mit langen Analogieketten und Beispielen bestärken. John Locke macht dies und wird so zum Urvater des liberalen Denkens. Und so ist der Denkzwang des liberalen Denkstils aufgebaut, von der Natur direkt, – vielleicht mit einem kleinen Umweg über die Falkenstrasse 11 – zum Paradeplatz.
Aber dem Autor fliegen weitere interessante Gedanken zur Arbeit und ihrem Wert zu, die er sogleich veröffentlicht:
«Falsch ist auch die Idee, dass glücklich werde, wer nicht zur Arbeit verdammt sei. Die Entkoppelung von Arbeit und Einkommen würde eine Befreiung des Menschen ermöglichen, heisst es. Das allerdings ist nicht nur eine einseitige Vorstellung von Glück, sondern auch eine Fehlinterpretation des menschlichen Daseins» Oho jetzt gerät dem Autor sein Kommentar ins Grundsätzliche und man befürchtet schon des er zu heideggern und binswangern anfängt, aber so schlimm wird es letztlich doch nicht, denn erfährt fort: «Sie (die oben erwähnte Fehlinterpretation des menschlichen Daseins/ eog) hilft nur dem, der tatsächlich nicht arbeiten will. Wer Arbeit nicht nur als Broterwerb, sondern ebenso als Wirken und Bewirken und als Quelle persönlicher Befriedigung sieht, dem wir diese Idee von Glück zuwider sein. Das gilt auch für sogenannte minderwertige Arbeit. Stimmen Arbeitsbedingungen und Wertschätzung, dann sind auch einfache Verrichtungen sinnstiftend». Der Mann weiss zweifelsohne, wo von er spricht. Er wäre vermutlich auch einverstanden damit, dass die Arbeitszeit der Kassiererin am Scanner der Supermarktkasse halbiert wird und ihr Lohn verdoppelt, damit sie keine weitere Sehnenscheidenentzündung am Unterarm mehr hat und weiterhin glücklich leben kann, wie bisher, weil dann das Scannen mehr Sinn macht? Vielleicht verstehe ich seine schwurbligen Argumente auch nicht. Aber vergisst unser Autor nicht die Schöpfungsgeschichte, ist er nur liberal und kein Christ, stets dort nicht bei der Vertreibung aus dem Paradies etwas davon, dass in Zukunft die Menschen im Schweisse ihres Angesichts und so weiter ...? Ist da die Arbeit nicht als Strafe für den Sündenfall dargestellt?
Aber eines sieht der Autor sicher richtig, wenngleich irgendwie dann doch auch wieder nicht so ganz richtig, wenn er schreibt:«Man kann es drehen und wenden, wie man will. Ein bedingungsloses Grundeinkommen zöge massive Steuererhöhungen oder direkte Abgaben auf dem Bruttoeinkommen nach sich».
Zweifellos ist es so, dass die Reichen für die Armen bezahlen müssen, das ist der Sinn des Grundeinkommens. Nur stellt sich die Frage, wer in diesem Land als reich angesehen werden soll. Wenn es die Aufgabe des Staates ist, gesellschaftliche Übel in Schranken zu weisen, dann sind doch Steuererhöhungen auf den Einkommen und der Vermögen der Reichen etwas Gutes?
Nur wenn Reichtum grundsätzlich als gut befunden wird, wie das im liberalen Denkzwang der Fall ist, ist eine Korrektur dieses Phänomens Schreck erregend.
Nur wie sieht denn die Verteilung des Reichtums in der Schweiz aus?
Nicht gerade schön, wenn wir das
das Titelblatt der Zeitschrift «Bilanz.Das Schweizer Wirtschaftsmagazin» vom 2.-15. Dezember 2011, betrachten, wo die Summe der Vermögen der 300 reichsten in der Schweiz Ansässigen mit 481 250 000 000, also mit 481 Milliarden Schweizer Franken angegeben wird.
Solche Obszönität aufrechtzuerhalten, dazu sieht sich der Hüter des liberalen Staates genötigt, denn das bedingungslose Grundeinkommen ist für Herrn Schoenenberger gefährlich, weil, man höre gut zu:
«Gefährlich ist es, weil es im Grund mehr von dem bringt, woran der Wohlfahrtsstaat heute krankt: von staatlich verordneter Umverteilung»
Nun gewiss, es muss ja nicht immer der Staat sein, der umverteilt.
Vernünftigerweise würden die 300 Reichsten in der Schweiz ihre Vermögen verteilen und jeweils nur noch 100 Millionen behalten, was ja immer noch sehr viel ist.
Um 100 Millionen zu erarbeiten muss eine ArbeiterIn bei einem angenommenen Lohn von 50000 Fr. ungefähr 200 Jahre lang arbeiten, ziemlich lange bei einer Lebenserwartung von etwa 85 Jahren, oder etwa nicht?
Man müsste auch dann noch immer von einer unsittlichen Reichtumsverteilung sprechen, aber man muss ja auch nicht so hart sein mit den Reichen, wenn sie denn schonfreiwillig ein wenig von ihrem Reichtum abgeben wollten, und dies täten einfach einfach aus Einsicht in die Unsittlichkeit ihres Daseins als Reiche.
Wenn sie denn so handeln würden, dann würden ihnen doch noch satte 30 Milliarden verbleiben; aber 450 Milliarden würden den Menschen in der Schweiz zugute kommen.
Würde man dieses nun der Bevölkerung der Schweiz zur Verfügung stehende Vermögen zu 2 Prozent anlegen – ich weiss exorbitant hoch, aber immerhin nicht unmöglich – dann wäre pro Mensch montali ein Einkommen von ungefähr 1000 möglich. Das wäre fast die Hälfte des von den Initianten der Initiative geforderte Grundeinkommens, ohne dass jemand zu Schaden käme, den 300 Reichen bleiben immer noch je 100 Millionen Vermögen, sie wären noch immer über alle Massen reich, aber alle wären glücklich und niemand mehr müsste arbeiten, der nicht könnte oder wollte. Das ergäbe sich nur aus dem Zins des von ihnen zur Zeit beanspruchten gesellschaften Reichtums, den sie an die Allgemeinheit abzuführen hätten.
Woher also der grosse Schrecken über den Verlust an Freiheit?
Es ist so viel gesellschaftlicher Reichtum vorhanden und er ist nur etwas ungünstig verteilt. Aber das lässt sich ja verändern. Es ist an der Zeit, dass diese Reichtumsverteilung ohne Vorurteile zu hegen, offen diskutiert wird.