Man weiss, dass es schief laufen kann, wenn man Löcher bohrt. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, das Gedächtnis ist kurz. Muss ich jetzt noch sagen, dass das alles den Menschen, die wegen Tschenobyl Krebs bekommen haben rein gar nichts geholfen hat, nichts hilft und niemals helfen wird, genausowenig wie den putzigen Pelikanen in Louisiana.
Also hoffen und beten? Gewiss, auch das hiflt manchmal und manchmal nicht. Also noch besser: Regentanz und beten, beten zu allen möglichen und unmöglichen GöttInnen, Geistern, Prinzipien, was auch immer. Schaden tut es ja nicht, da das Öl ohnehin weiter ausläuft.
Und da reagiert ein Teil der Öffentlichkeit mit einer entwaffnenden Naivität: der Präsident soll was tun, wozu hat man ihn den gewählt? Leider ist er nur Kent Clark, dem die Superman-Fähigkeit abhanden gekommen ist, sonst könnte er einfach in die Rockymountains fliegen und dort einen Felsen holen, den er dann auf das Bohrloch setzen könnte. Deckel zu und Ruhe. Obama ist allerdings nur ein mittelmässiger Golfer, kein Superman, der am Golf was lösen könnte.
Eine Attitüde gegenüber dem Staat kommt zum Vorschein, welche die Täuschung über den Staat sehr schön aufzeigt. Der Staat setzt sich als «über der Gesellschaft» stehende Instanz in Szene. Er beansprucht, die differenten Interessen zu klären, die Probleme so zu modifizieren, dass sie gelöst werden können. Die BürgerInnen verhalten sich dem Staat und seinen Exekutivorganisationen so, wie die absolutistischen Souveräne ihren Premierministern gegenüber sich verhalten haben, wenn sie verlagen, dass der Staat das Problem nun endlich lösen soll. Der Souverän fühlt sich schlapp, der Minister soll das Problem lösen. Auch und gerade dann, wenn es kein lösbares Problem zu lösen gibt. Es ist das kindliche Gemüt, das besänftigt werden soll. Der Präsident soll das Volk in den Arm nehmen, das verletzte Knie streicheln und heile, heile Säge, drü Tag Räge, drü Tag Schnee, dänn tutes Bohrloch nüme weh singen, und schon wird das Volk sich beruhigen und anfangen mit dem Öl an seiner Küste und den sterbenden Pelikanen zu leben.
Denn tun kann man nicht viel, ausser es gelingt BP das Bohrloch zu stopfen. oder das Öl hört auf auszulaufen, oder etwas dazwischen, siehe oben. .
Wer ist Schuld? Wie immer der liebe Gott, will sagen, die unsichtbare Hand, Du und ich, wir alle, die wir Erdölprodukte für unser Leben verwenden. Wir sehen keine andere Lösung unseres Energiehungers, also wird alles weitergehen, die Autos werden weiterhin viel mehr Benzin saufen, als technisch nötig wäre, die Autos werden weiterhin grösser und schneller sein, als das nötig ist, aber wer kann schon wissen, was die Menschen wirklich nötig haben, hätten sie keine schnellen Autos, würden sie vielleicht die Reichen enteigenen, also wird man schnelle Autos bauen, also wird man Löcher bohren, also wird mal wieder eines kaputt gehen, also werden die Pelikane sterben ...
Es gibt gar keine Lösung für das Problem, denn auch wenn das Loch heute oder morgen oder übermorgen gestopft wird, alles wird weiter gehen wie bisher. Stillstand ist Rückschritt, wir müssen immer weiter gehen, immer in der gleichen Richtung immer vorwärts in die untergehende Sonne hinein. Atemlos und rastlos, ratlos ziehen wir weiter. Auch Du brauchst Plastik oder etwa nicht? Glücklicherweise sind wir alle schuldig, damit niemand und wir können weiter machen. Auch das Paradies hat sein Scheisshaus! Wichtig ist bloss, dass es immer weiter geht und wenn der Präsident das Loch nicht stopft, dann wählen wir einen neuen, einen der uns verspricht, das Loch zu stopfen und wenn er es auch nicht kann, nochmals einen neuen und nochmals, immer weiter, alles ändern, damit alles gleich bleibt. Nur eines nicht, bitte nur eines nicht: nicht weniger Öl brauchen, bitte nicht, keine kleineren Wagen, bitte nicht, nicht mehr Energieffizienuz, die Welt ist so anstrengend geworden. Ich muss gleich zur Schnäppchenecke und schauen, ob es noch ein last-minute-Angebot für Tauchferien auf den Malediven gibt. Sie wissen doch, wie sehr ich Sonne, Licht und unberührte Natur brauche, um mich zu erholen. Das sagte mir einst eine militante Umweltschützerin, Funktionärin des Guten, die zur Bekämpfung ihrer Depressionen im November, wenn es hier herum so richtig nebetl, immer in den Süden an die Sone flog, um Kraft zu tanken, für den Kampf gegen die Klimaerwärmung und weitere Drachen. Und sie meinte das durchaus ernst, sie war nämlich ziemlich depressiv und konnte nur so ihre verantwortungsvollen Aufgaben bearbeiten.
Wie ich das liebe, dass die Menschen sich überfodern, und dann stolz darauf sind zu leiden.
Mach das Loch zu, lieber Präsident Obama, verfluche die BP, aber schütze uns ihre Dividenden, denn unsere Pensionskassengelder, das wenige, das uns für die Zukunft bleibt, liegt doch dort.
Um Himmels willen, so mach doch etwas. Wir tun doch auch ständig was, aber das, was wir tun, nützt nichts. Um Himmels willen, sei Du der Superman, wir sind alle nur deine clerks.
Der Zug fährt in Zürich ein. ICN Jean Rudolph von Salis, wie jeden Tag die letzten Tage. Rastloser Denker.
Es regnet, Zürich und Regen, das geht irgendwie noch schlechter als Basel und Regen.
In der Bahnhofshalle ein Gewühl und eine föhliche und zufriedene Primarklasse, die in zweier Kolonne, Hand-in-Hand, die Lehrerin voran, einer der Mütter am Schluss durch dieses Gewühle zieht.
Ist es das, was wir vom Staat und seinem Präsidenten verlangen?
Ist die Demokratie wieder einmal zu viel verlangt und die Aufklärung wieder einmal gespühlt?