Auf Seite 13 im Bund «Schweiz» liefert die NZZ dann die Argumente für den Rückzug der Vorlage zur IV-Sanierung. In einem Kasten wird nochmals die Postion des Dachverbandes der schweizerischen Wirtschaft «economiesuisse» verdeutlicht. Die so gennante «Wirtschaft» befürwortet zwar die Vorlage aber sie wünscht eine Verschiebung auf der Zeitachse nach hinten. Dem Direktor dieses Verbandes, dem Alt-Ständerät Gerodl Bührer ist es dabei egal, ob die Verschuldung weiter ansteigt, oder ob die anfallenden Mittel durch die Bundeskasse direkt bezahlt werden. Eine eigenartige Vorstellung, nachdem man mit so viel staatsverantwortlichen Ernst – fast wäre man versucht zu sagen mit «blutigem Ernst», aber das wäre Polemik und solcher wollen wir uns hier nie befleissigen – auf die Unmöglichkeit einer weiteren strukturellen Verschuldung dieses staatlichen Sozialversicherungswerkes hingewiesen und die Rentenbedingungen auf Kosten behinderter Menschen weitgehend eingeschränkt hatte mit dem Versprechen nun rasch die Invalidenversicherung zu sanieren.
Im Kommentar hält die Zeitung nun allerdings fest: «In der Sache hat die IV-Vorlage Vorzüge, die durch einen Konjunktureinbruch eigentlich nicht geschmälert werden. Die Sozialversicherungen brauchen eine Strukturreform und die IV-Defizite sollten nicht länger den AHV-Fonds aushöhlen und so die AHV selber in absehbarer ZEit in Liquiditätsprobleme führen. Korrekturen auf der Ausgabenseite sind mit der 4. und 5. IV-Revision eingeleitet und an der 6. Revision wird bereits gearbeitet». Das Flagschiff der bürgerlichen Presse – die alte Tanta von der Falkenstrasse – sagt im Klartext, dass die Renten nun so weit gesenkt sind und noch weiter gesenkt werden, dass man nun das Ding endlich sanieren sollte. Dann aber folgt eben das grosse ABER. Die Wirtschaftskrise. In einer Rezession wäre eine Steuererhöhung ein schlechtes Signal. Und man befürchtet, dass das Stimmvolk eine solche ablehnen würde. Denn klar, wenn es einem tendenziell schlechter gehen zu droht, dann ist einem das Hemd näher als der Rock, sprich kann man die Solidarität mit Menschen mit Behinderung auch getrost auf ein wenig später verschieben. Und schliesslich findet die Zeitung auch Rat in der schwierigen Frage der Zwischenfinanzierung. Man sollte aus staatspolitischen Gründen nicht die IV-Schulden aus der laufenden Kasse finanzieren. Da man überhaupt sorgfältig mit dem Geld des Staates umzugehen weiss, wie die Unterstützung der notleidenden Bank UBS im Herbst 2008 deutlich gezeigt hat.
Und so sagt der NZZ-Kommentar: «Der IV die Mittel in der Zwischenzeit, ohne Volksabstimmung, aus der algemeinen Bundeskasse zuzführen, wäre rechtlich möglich, aber heikel und finanzpolitisch kaum vorteilhaft. Die Schulden würden einfach verschoben, zeichnen sich doch auch in der Staatsrechnung ab 2010 rote Zahlen ab. Ein geordneter Rückzug ist da allemal besser als ein Vorgehen, das im Volk den Eindruck erwecken könnte, es werde umgangen oder gar ausgetrickst.»
Eindrücklich wie hier um Verantwortung und Legitimation gerungen werden muss, bei der Bank ging es so schnell, dass die Ethik irgendwo auf der Strecke blieb, das wird hier nun gründlich nachgeholt, zum Nachsehen behinderten Menschen. Es soll keines sagen dürfen, man habe nicht alles wohl erwogen.
Im Wirtschaftsteil der NZZ vom 23. 1. 09, auf Seite 19 verkündet der ehemalige Konzernchef der deutschen Post, dass seine Steuerhinterziehung der «grösste Fehler meines Lebens» gewesen ist. Die NZZ wird nicht müde immer wieder zu betonen, dass diese Betrügereien allesamt nur aufgeflogen sind, weil ein ehemaliger Angestellter der LGT Bank aus Lichtenstein ganz einfach Daten geklaut und schamlos dem deutschen Geheimdienst zum Kauf angeboten hat, und dieser hat sich nicht geschämt, gestohlenes Gut zu kaufen. o tempora o mores – so könnte man mit dem bis auf die Ohren hinauf korrupten Cicero ausrüfen.
In Zürich stellt sich die Frage ob man die Miliorganisation der stadtzürcher Sozialhilfe nicht ganz einfach abschaffen oder doch lieber professionalisieren soll. Ex-Maoist Martin Waser, der Stadtrat und Sozilvorsteher ist, und Koni Löpfe, sein Parteipräsident sind sich nicht einig. Die Universität St. Gallen hat in einr Studie ein «Wirrwarr» von Zuständigkeiten festgestellt.
Im Kommentar wird auf der gleichen Seite 19 festgehalten, dass 1914 die Sozilahilfe noch 70 Armeplfeger und nur 28 Angestellte umfasste, währen es akutell 15 Miglieder der Sozialbehörde und 500 Angestellte im Sozialwesen seien.
Gab es also um 1910 herum auf 7600 EinwohnerInnen einen Angestellten der Sozialhilfe, so hat sich das Verhältnis im Jahre 2006 auf ungefähr 740 verändert, beinahde ein Faktor 10. Was immer solche Zahlenspielereien bedeuten mögen, keiner weiss es. Aber irgendwie eindrücklich ist es immer, wenn man Zahlen beibringen kann. Im Kommentar werden diese Zahlen als ein Indiz für eine wachsende Professionalisierung und eine Verkleinerung der Milizbehörde betrachtet. Man könnte also mit Richard Sennett (2002 (2004)) festhalten, dass auch in Zürich das System der «Fürsorge ohne Mitgefühl» sich historisch durchgesetzt habe. Sennett sagt: «Die Idee der unpersönlichen Fürsorge zeugt von einer sehr pessimistischen Sicht des Menschen. Sie geht davon aus. man anderen ein Unrecht antut, wenn man sich persönlich um sie kümmert; daher müssten die menschlichen element beim Urteil über Bedürftigkeit und bei der Reaktion darauf ausgeschaltet werden» (Sennett (2002 (2004), S. 174). Aber solche Diskurse sind möglicherweise im Zusammenhang mit dem politischen Streit um die Stadtzürcher Sozialhilfe eh obsolet, als es hier vor allem darum geht, «kostengünstiger Dienstleistungen von hoher Qualität zu produzieren». Denn in einem sind sich hier alle einig: Die Sozialinspektoren – gemeint sind die staatlich lizenzierten Schnüffler im Privatleben der StadtbewohnerInnen zum Zweck der Missbrauchsprävention von Sozialhilfe – haben sich bewährt. Sie sollen neu dem Stadtrat Waser, mit einschlägig stalinistischer Praxis vertraut, unterstellt werden.
Zum Schluss noch eine bildungspolitische Bemerkung. In einem Interview meldet sich die EDK-Präsidentin, die Freiburger Erziehungsdirektorin Isabelle Chassot, zum Ranking von Gymnasien durch die ETH zu Wort. Kurz worum es bei dieser Kontroverse überhaupt geht. Die ETH – weltwweit die Nummer 24 und europaweit die Nummer 4 im Universitäten-Ranking der Shanghai Jiao Tong University – hat ihrerseits die eine Studie vorgelegt, welche einen Zusammenhang zwischen dem Studienerfolg an der ETH und den Maturitätsnoten belegt. Es wurde zwar sozialwissenschaftlichr Schrott produziert. Die ETH hat einfach jene Mittelschulen genommen, von denen mehr als 30 Studierende an der ETH studierten, um den Vergleich zu machen. das waren rund 60 von ungefähr 150 Mittelschulen der Schweiz. Bei der Publikation «warnte» die ETH-Präsidentin Heidi Wunderlin-Allesnpach – Namen war hier offensichtlich nicht omen! – eindringlich davor, diese Liste, die so die NZZ «erst noch mit methodischen und statistischen Mängeln» behaftet ist als Rangliste zu lesen. Man macht also mit falschen und dummen Annahmen eine Rangliste, publiziert diese und sagt bei der Publikation, hört mal Leute, lest die Rangliste nicht als eine Rangliste, es gibt zwar Ränge, aber sie bedeuten nichts. Sofort werden sich alle Mittelschulen in den Haaren liegen. Wer vorne liegt, wird sagen, also uns ist es Wurscht, ob es vielleicht noch diesen oder jenen wissenschaftlichen Mangel gibt; wir sind vorne und das ist deshalb weil wir gut sind. Wer hinten auf der Liste ist, wird sich über seinen Imageschaden ärgern. Der Vertreter der Schweizer GymnasiallehrerInnen begrüsst solche Vergleiche, allerdings nicht gerade diesen, aber eigentlich schon, wenn ich die Aussage in der NZZ richtig verstehen.
Es ist davon auszugehen, dass die ETH-Präsidentin nicht wissentliche und willentlich wissenschaftliche Unsinn veröffentlicht. Sie halt vermutlich ein Ziel vor Augen. Man muss also fragen, cui bono? Für wen ist eine solche «missratene» ETH-Studie von Nutzen? Am Meisten Nutzen haben selbstverständlich die empirischen BildungsforscherInnen. Für sie wird eine Diskursebene eröffnet, auf welcher argumentiert werden kann, dass die Öffentlichkeit zwar Vergleiche will, aber eben keine lausigen. Es ist also an den Fachleuten, «richtige» Verlgeiche zu machen. Was würde sich dabei besser eignen als die endliche Erarbeitung flächendeckender Bildungsstandards, welche «sauber operationalisiert» und in Beziehung zu den Leistungen der SchülerInnen gesetzt, dann endlich jene Zahlen liefern könnten, nach denen offenbar jedermann und jederfau lechzt.
honny soit, qui mal y pense!
Die Basler Zeitung vom 23. Januar 2009 schalgzeilt auf Seite 11 in der Rubrik «International»:
«Thailand schickt Unerwünschte in den Tod. Mehrere hundert illegale Wanderarbeiter wurden von einer Spezialeinheit der Armee im offenen Meer ausgesetzt».
Man traut den eigenen Augen nicht, wenn man dies liest, aber da steht dann auch:
«Nach Angaben der Hilfsorganisation «Arakan Project» wurden seit Mitte Dezember etwa 1000 Wanderarbeiter der Rohingya-Volksgruppe aus Burma auf dem offenen Meer in Booten ohne Motren ausgesetzt. Mehr als 500 von ihnen werden seither vermisst und sind wahrscheinlich ertrunken oder verdurstet. Vier Männer, die sich weigerten, die Boote zu besteigen, wurden von thailändigschem Wachpersonal mit gefesselten Händen ins Meer geworfen»
Weiter unten heisst es:
«Das menschenverachtende Vorgehen der thailändischen Sicherheitskräfte (dass man sich immer noch dieses euphemistischen Begriffs bedient! /eog) wurde erstmals ruchbar, als die indische Küstenwache im Dezember rund 100 schiffbrüchige Rohingyas rettete, die zwei Wochen lang hilflos auf dem offenen Meer getrieben waren».
Weiter steht im Artikel:
«Die Rohingyas stammen ursprünglich aus dem Arakan Staat in Burma. Das dortige Militärregime verweigert ihnen die Staatsbürgerschaft. Sie dürfen kein Land besitzen und nciht arbeiten. Rund 250000 Rohingyas flohen Anfang der 90er Jahre vor massiver Unterdrückung durch Burmas Militärs und leben seither im Süden Bangladeshs in Flüchtlingslagern».
Die rund 800000 Rohingyas werden von der EU unterstützt, aber «die EU schafft es bisher trotz Druck einzelner Mitgliedstaaten nicht, eine Erklärung über das brutale Vorgehen Theilands abzugeben»
Was für eine unerträgliche und unwürdige Situation!
Eine politisch einfache Lösung wäre es, allen diesen Menschen das schweizerische Bürgerrecht zu geben und dann vor dem internationalen Gerichtshof gegen die Diskriminierung von Schweizer Bürgern in Burma zu klagen. Selbstverständlich dürften sie dann auch in die Schweiz kommen, wenn sie wollten.