Auf Seite 53 des Tagesanzeigers vom 1. März 2005 blödelt Viktor Giacobbo unter dem Titel «Alpaufzug für prächtige Säugetiere» über den Anlass der Oscarverleihung. Gleich darunter schreibt Jürg von Ins, seines Zeichens Privatdozent für Ethonolgie an der Unviersität Bern unter dem Titel «Feldforschung mit Freud, Marx und Mao in der Tasche» folgendes über die Zürcher EthonopsychoanalytikerInnen: «Psychoanalyse und historischer Materialismus verbanden sich für das Team (Paul Parin, Fritz Morgenthaler und Goldy Parin-Mathey / eog) zum Inbegriff unverbrüchlicher Realität, die Psyche und Gesellschaft zusammennimmt, das heisst: Alles, was psychisch passiert, hat sozioökonomische Gründe, Psyche und Wirtschaft gehorchen denselben Gesetzen. Innen und Aussen sind eins, und wirkungsmässig gibt es nur das Aussen - für alle Kulturen gleich: den Materialismus. Derlei Objektivismen lassen freilich aus heutiger Sicht jeden ethnolkogischen Anspruich hart auf Grund lafen. Keine Schule und Theorie aknn mehr übersehen, dass sich die Wirklichkeit aus verschiedenen, oft auch widersprüchlichen Weltischten aufbaut und ass wir die Welt, von der wir erzählen, dadruch immer auch mitkonstruieren. Die Zürcher Ethnopsychoanalytiker um Morgenthaler hatten den Stein eines materialistischen Realitätsverständnisses um den Hals, der sie - was ihr Position in der ethnologischen Theoriegeschichte betrifft - ins 19. Jarhhundert zurückzog. Wie sie mit diesem Ansatz noch vor zwanzig Jahren auf eine ganze Generation revolutionär wirken konnten, ist Heute kaum noch nachvollziehbar. Was die Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen heute soll, wird der bevorstehende Konrgress aufzeigen müssen» (Tagesanzeiger, 1. 2. 05, S. 53).
Offenbar hat der Autor des Artikels ganz andere Bücher und Aufsätze dieser AutorInnen gelsen als ich. Ich habe sie alle gelesen, aber das, was er über sie sagt, finde ich so nirgends, ganz im Gegenteil. Dass die Menschen ihre Wirklichkeit konstruieren, dass lässt sich ja gerade aus den Arbeiten derZürcher EthnopsychoanalytikerInnen zeigen, die auch zeigen, wie sie es tun. Was soll man also dazu sagen? Die Diskurse und ihre Ordnungen haben sich verändert.
Gestern las ich eine Arbeit eines Forschers über «Vaterdeprivation», er hat mit ordinaskalierten Daten arithmetische Mittelwerte berechnet und verglichen. Was soll man dazu sagen? Am besten auch nichts.
Wissenschaft als gequirlter Blödsinn.
In der Postmorderne kommt es offensichtlich nur darauf an, in einer witzigen Art und Weise etwas zu «dekonstruieren»
In zwei Stunden treffe ich eine ehemalige Studentin, die blind ist, den Studienabschluss gefunden hat und nun arbeitslos ist. Sie ist fünfzig. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt stehen nicht gut. Was soll ich ihr sagen?
Schön wie über der Limmat das Wasser in der Morgensonne dampft, was für ein schöner Morgen.
Individualisierung I
Am Bahnhof kaufe ich mir den «Blick»:
S. 23: Sorgentelefon: Die Blickberaterin schreibt:
«Einsamkeit. Ich bin immer alleine!
Rosa S. ruft beim heissen Draht an. Sie beklagt sich, dass sie immer alleine sei. Da sie such IV-Renterin ist, hat sie auch keinen Kontakt zur Berufswelt. «Nie kommt jemand zu mir, niemand ruft mich an», jammert sie. Die meiste Zeit des Tages sitzt sie zu Hause, nur das Einkaufen und der Fernseher bringen ihr etwas Abwechslung.
Ich schlage ihr ein BLICK-SMS vor, mit dem Vermerk «Kolleginnen gesucht». Aber für Rosa S. ist das zu viel. Immer ich muss etwas machen. Als ich ihr erklären will, was sie gegen ihre Einsamkeit tun kann, hängt sie abrupt ab».
Die Blick-Beraterin schreibt dann in ihrer Kolumna, was sie der Frau gerne gesagt hätte, und wo sie sich zusätzliche Informationen hätte einholen können.
Die Geschichte illustriert sehr gut, wie sich Behinderung konstruiert. Soll man nun sagen, die Frau sei psychisch oder sozial behindert?
In einem gewissen Sinne ist es müssig, solches festzustellen. Fest steht nur, dass die Frau so alleine ist, dass sie keienn Schritt mehr auf die anderen Leute mehr tun kann
Individualisierung II
Jean-Philhippe Maitre (55), sagt Ihnen der Name noch etwas?
Er ist heute zurückgetreten. Er war der höchste Schweizer. Er durfte es eine Sitzung lang sein, in der Sitzung der Frühjahressession, an welcher er nach der Eröffnung seinen Rücktritt bekannt gab. Er hat einen nicht operablen Gehirntumor und muss sich einer strengen Chemo- und Strahlentherapie unterziehen.
Ein schwieriger Gang, alle sind bewegt und zollen ihm ihre Anerkennung.
Im Blick wird er zitiert mit dem Satz: «Ich stellte mir vor, dass Krankheit etwas sei, was die anderen betreffe», und er sagt in seiner Rede, er habe gelernt durch seine Krankheit, dass nichts endgültig gesichert sei.