Wir verwenden Cookies, um unsere Website fortlaufend zu verbessern und die Zugriffe statistisch auszuwerten. Mit der Nutzung unserer Webseiten erklären Sie sich damit einverstanden. Näheres dazu und wie Sie die Verwendung von Cookies einschränken oder unterbinden können, erfahren Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

Und heute lese ich unter den  «Vermischte Meldungen» in der NZZ, Nr.  265, 12. November 2004, S. 19

«Übergriffe auf Behinderte in Wohnheim in Windisch

Windisch, 11. Nov. (ap). In einem Wohn- und Beschäftigungsheim für Behinderte in Windisch im Kanton Aargau sind gravierende Übergriffe auf zwei Insassinnen bekannt geworden. Die Vorfälle wurden der Aargauer Regieerung am vergangenen Montag gemeldet. Eine Bewohnerin mit Essstörungen sei mehrfach genötigt worden, Erbrochenes wieder zu sich zu nehmen. Einer anderen Bewohnerin sei die Hand auf ein heisses Backblech gedrückt wroden. Der zuständige Regierungrat ordnete die fristlose Entlassung der Gruppenleiterin an. Eine zweite Frau, die für den Wohnbereich zuständig war, wurde bis auf weiteres freigestellt. Es wurde Strafanzeige erstatt. Im Wohn- und Beschäftigungsheim «Sternbild» in Windisch leben 48 Erwachsene mit einer geistigen Behinderung und schwierigem Verhalten».

Die Homepage der Aargauer Zeitung (http://www.a-z.ch/medien/az) liefert ein wenig mehr Information und ein Bild der Einrichtung. Das Bild zeigt einen dieser Kastenbauten, wo man sich fragt, wo denn das architektonisch geblieben ist, was das Bauhaus einmal attraktiv gemacht hatte.

 

«Heimbewohnerin musste Erbrochenes essen

Nach Übergriffen im Heim «Sternbild» für geistig Behinderte in Windisch ist eine Gruppenleiterin fristlos entlassen worden. Laut dem Aargauer Bildungsdepartement war eine Bewohnerin mehrfach genötigt worden, Erbrochenes wieder zu essen

Die Bewohnerin des vom Kanton geführten Wohn- und Beschäftigungsheims litt unter Essstörungen. Einer weiteren Bewohnerin sei zudem die Hand auf ein heisses Backblech gedrückt worden, teilte das Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) am Donnerstag mit. Diese habe mittelschwere Verbrennungen erlitten.

 

Entlassung und Strafanzeige

Die gravierenden Übergriffe seien dem BKS am vergangenen Montag gemeldet worden, heisst es weiter. Bildungsdirektor Rainer Huber ordnete noch am gleichen Tag die fristlose Entlassung der zuständigen Gruppenleiterin an. Zudem wurde am Mittwoch die für den Wohnbereich zuständige Co-Leiterin des Heims bis auf weiteres freigestellt.

Die freigestellte Co-Leiterin weilte bis vergangenen Dienstag im Urlaub. Mit ihr würden zur Abklärung noch weitere Gespräche geführt, sagte Departementssprecher Nic Kaufmann auf Anfrage. Aufgrund der Übergriffe erstattete das BKS zudem Strafanzeige.

 

Externe Hilfe eingesetzt

Kaufmann wollte keine Angaben dazu machen, wie es zu den Vorfällen gekommen und wer allenfalls daran beteiligt gewesen war. Dies müssten die Untersuchungsbehörden feststellen. Die Verbrennung mit dem Backblech sei ein einmaliger Vorfall gewesen, die anderen Vorfälle hätten sich indes während der letzten zwei Jahre mehrfach ereignet.

Zur Bewältigung der Situation im Heim wurde eine externe psychologische Beratung beigezogen. Das weitere Vorgehen werde zudem im Gespräch mit den Eltern der betroffenen Bewohnerinnen festgelegt. Im Heim leben geistig Behinderte, die oft zusätzlich körperlich behindert sind oder Verhaltensstörungen aufweisen.

 

Schwierige Betreuung

 

Die Betreuung dieser Personen ist laut Kaufmann denn auch schwierig. Insgesamt werden im Heim 48 Erwachsene in acht Wohngruppen und vier Beschäftigungsateliers betreut. Die Leitung des Heims wird derzeit von der für die Administration und den Beschäftigungsbereich zuständigen Co-Leiterin sichergestellt.

Das Wohn- und Beschäftigungsheim «Sternbild» befindet sich auf dem Areal der psychiatrischen Klinik Königsfelden. Es ist mit der Klinik jedoch nicht verbunden, sondern wird vom Kanton separat geführt. Eröffnet worden war das Heim im Sommer 1996. (sda/heh)

Mehr zum Thema:

Tele M1: Viele Mitarbeiter hatten nichts gemerkt

Radio Argovia: Bewohnerin über längeren Zeitraum genötigt»

Wie stellt die Erichtung sich selbst dar? Die folgenden Zitate sind der Homepage der Einrichtung entnommen.

(Stand 12. November 2004) www.ssternbild.ch

über uns

Entstehungsgeschichte

 

Die meisten der heutigen Bewohner/innen waren Patientinnen oder Patienten der Psychiatrischen Klinik in Königsfelden. In der Regel wurden sie aufgrund ihrer Verhaltensauffälligkeit nach einer langen Irrfahrt durch verschiedenste Heime eingeliefert.

 

Sie kamen dorthin, weil sie nirgendwo getragen werden konnten und für die psychiatrische Klinik als einzige Institution der Aufnahmezwang gilt. In der Folge lebten sie während Jahren und Jahrzehnten in grossen Frauen- oder Männerabteilungen. Es stand im Gegensatz zu heute sehr wenig Personal zur Verfügung. Obwohl dieses sein Möglichstes tat, waren die Menschen versorgt. Provokativ gesagt, von der Gesellschaft aufgrund ihres schwierigen Verhaltens entsorgt. Dieser Zustand war nicht nur in Königsfelden gegeben, sondern europaweit. Es war ein Zeichen des Zeitgeistes.

In den Jahren um 1980 begann sich immer mehr die Erkenntnis durchzusetzen, dass die psychiatrischen Kliniken nicht der richtige Ort für Menschen mit einer geistigen Behinderung sind. So wie auch für uns sogenannt "Normale" die Klinik bei einer psychischen Krise ein Ort der Heilung sein soll, so soll sie dies auch für diese Menschengruppe sein.

Es wurde versucht, die behinderten Menschen in Heimen ausserhalb zu platzieren. Doch für die Meisten konnte kein Platz gefunden werden. Neue Institutionen wurden geplant und realisiert. Solche Institutionen konnten aus dezentralen Wohneinheiten (in verschiedenen Gemeinden) bestehen oder aus einem Wohnheim.

Dies geschah nicht nur im Kanton Aargau, sondern europaweit. Eine solche neugegründete Institution ist das Wohn- und Beschäftigungsheim Sternbild, welches seinen Betrieb am 5. August 1996 aufnahm.

BewohnerInnen

Um nicht innerhalb einer Randgruppe (Behinderte) eine weitere Randgruppe zu schaffen, sollte es für uns möglich sein, geistig und mehrfach behinderte Menschen verschiedener Behinderungsgrade aufzunehmen. Trotzdem legen wir gewisse Anforderungskriterien fest, die erfüllt sein müssen, um Aufnahme in unsere Institution zu finder.

Im Wohn - und Beschäftigungsheim Sternbild sollen geistig - und mehrfachbehinderte Erwachsene einen Platz im Atelier und/oder im Wohnbereich finden:

Die bei ihrem Eintritt im Erwachsenenalter sind aber das AHV- Alter noch nicht erreicht haben.

Deren soziales Umfeld eine Veränderung erfährt, dass sich die Notwendigkeit eines Arbeits- und/oder Wohnheimplatzes aufdrängt.

Die ihren Wohnsitz (in der Regel) im Kanton Aargau haben.

 

Pensionsvertrag

Der Pensionsvertrag wird vom Leistungsanbieter (Institution) und Leistungsempfänger (BewohnerIn bzw. dessen gesetzlichem Vertreter) unterschrieben. Er ist bindend für alle Parteien.

Grundlagen

Unser Menschenbild bildet die Grundlage unserer Arbeit:

"Jeder Mensch hat die Fähigkeit, ein Leben lang zu lernen und jeder Mensch hat das Recht auf eine angemessenen Bildung, Entwicklung und Förderung. Den persönlichen Willen jeder einzelnen Bewohnerin und jedes einzelnen Bewohners respektieren wir. Die einzelnen Begegnungen sind partnerschaftlich zu verstehen und zu gestalten.

Leitbild

"Jeder Mensch hat die Fähigkeit ein Leben lang zu lernen, und jeder Mensch hat das Recht auf eine angemessene Bildung, Entwicklung und Förderung."

Um diesen Grundsatz teilweise verwirklichen zu können verstehen wir uns als VertreterInnen einer gesellschaftlich schwachen Gruppe. Damit ist für uns die Aufgabe der Wahrnehmung der Interessen einer Minderheit gegenüber einer Mehrheit verbunden. Treffend drückt dies folgendes Zitat von René Simmen aus dem Buch Heimerziehung im Alltag aus: "Die gesellschaftliche Aussonderung rückgängig machen heisst, das Menschenbild der Gleichheit und Würde aller in seiner ganzen Konsequenz, auch für den behinderten Bewohner im Heim, gültig werden zu lassen. Das bedeutet nichts anderes, als den Behinderten wieder als gleichwertiges und gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft zu anerkennen und im Rahmen unserer Möglichkeiten in unserer Institution, ihm das zurückzugeben, was ihm in der gesellschaftlichen Aussonderung im sozialen, rechtlichen und ethischen Sinne vorenthalten wird." Nach diesem Grundsatz hat sich unser Denken und Handeln zu richten, denn das Behindertsein gehört zum Menschen.

In diesem Sinn tragen wir auch den Grundbedürfnissen unserer Bewohnerinnen und Bewohner Rechnung, mit dem Ziel der Erhaltung und Förderung ihrer individuellen Lebensqualität.

In Bezug auf die Arbeitssicherheit und Gesundheit verhindern wir durch Sensibilisierung der MitarbeiterInnen und BewohnerInnen sowie durch vorbeugende Massnahmen und Schulungen Arbeitsunfälle und arbeitsassoziierte Gesundheitsprobleme. Dies verstehen wir als auch Teil unserer sozialen Verantwortung.

Ziel und Zweck der Institution

Führen von Wohngruppen für erwachsene Menschen mit einer geistigen und mehrfachen Behinderung, mit dem Auftrag eine geeignete Dauerwohnstätte zu schaffen.

Führen eines Atelierbereiches in kleinen Gruppen.

Schaffen von sinnvollen Arbeits - und Freizeitbeschäftigungsangeboten im Rahmen der individuellen Möglichkeiten der Bewohner/innen.

Begleitung, Betreuung, Förderung, Entwicklung und Pflege in allen Lebensbereichen für alle Menschen, die bei uns wohnen und arbeiten.

Keine Ausgrenzung von Menschen mit einer anderen Behinderung und schwierigem Verhalten.

Unsere agogische Haltung

Grundhaltung zu den betreuerischen, begleitenden, pflegerischen und fördernden Aufgabenbereichen

 

Wir bauen auf den Fähigkeiten (Ressourcen) der einzelnen BewohnerInnen auf.

Wir orientieren uns in der alltäglichen Arbeit mit den BewohnerInnen am Normalisierungsprinzip.

Ganzheitliche Betreuung und Begleitung der einzelnen BewohnerInnen. Dazu gehört auch die Einzelförderung in der gewohnten Umgebung.

Wohnen vor Pflege in bezug auf die Atmosphäre der Wohngruppen.

Pflegeleistungen erbringen wir, solange der Zustand einen Spitaleintritt oder den Eintritt in ein Pflegeheim unumgänglich macht.

 

Betreuerische, begleitende, fördernde und pflegerische Zielsetzung

Es gilt dem einzelnen Behinderten eine ihm im Rahmen seiner Entwicklungsmöglichkeiten angemessene und seinen Bedürfnissen angepasste ganzheitliche Betreuung, Begleitung, Pflege und Förderung zukommen zu lassen. Das Ziel ist, eine optimale Selbständigkeit währen seines ganzen Lebens anzustreben und somit seine persönliche Lebensqualität zu erhöhen. Es soll ihm im Alltag ermöglicht werden an der Vielfalt des Lebens aktiv oder passiv teilzunehmen soweit es mit den individuellen Voraussetzungen vereinbart werden kann.

Die Tagesgestaltung und die Tagesbeschäftigung sollen den Fähigkeiten, Bedürfnissen und Möglichkeiten der einzelnen Bewohnerinnen und Bewohnern angepasst sein und sinnesstiftend wirken. Vorhandene Ressourcen sind aufzuspüren,zu fördern und aufzubauen.

 

Orientierungshilfen im Alltag, wie geeignete, individuell angepasste Tagesstrukturen, sollen Sicherheit und Vertrauen vermitteln.

Der Wohnbereich soll für alle BewohnerInnen ein Zuhause und eine bleibende Heimat, wenn immer möglich, bis zu ihrem Tod werden.

Der persönliche Wille jeder einzelnen Bewohnerin, jedes einzelnen Bewohners ist zu respektieren, und die einzelnen Begegnungen sind partnerschaftlich zu verstehen und zu gestalten.

Organigramm und Trägerschaft

 

Der Träger des Wohn- und Beschäftigungsheimes ist der Kanton Aargau

Wir gelten als unselbständige Anstalt des kantonalen öffentlichen Rechts, mit dem Auftrag, die Anforderungen des Bundesamtes (BSV) vollumfänglich zu erfüllen um Betriebsbeiträge nach Artikel IVG 73 zu erhalten.

 

Qualitätsmanagementsystem

Ein unserer Institution angepasstes Qualitätsmanagementsystem wurde eingeführt. Der Systemname lautet "Sternbild-Kompass" und wurde in einem Gruppenprozess erarbeitet.

Am 10. Dezember 2001 wurden wir durch die Schweizerische Vereinigung für Qualitäts-und Management-Systeme (SQS) nach ISO 9001:2000 und BSV/IV zertifiziert.

Es soll uns ermöglichen die Institution zum Wohle unserer Bewohner/innen stetig weiter zu entwickeln.

 

Unser Team

Wir verfügen zur Zeit über 55,2 Vollzeitstellen und ein Team von ungefähr 80 MitarbeiterInnen.

Damit wird die Abdeckung des 24-Stundenbetriebes während 365 Tagen im Jahr garantiert.

MitarbeiterInnen

Unsere MitarbeiterInnen verfügen entweder über eine sozial- oder heilpädagogische, pädagogische oder pflegerische Ausbildung oder eine fachfremde Ausbildung.Unsere Wohngruppen- und Atelierteams setzen sich interdisziplinär zusammen.

Atelier-MitarbeiterInnen verfügen in der Regel zusätzlich über eine kreative Ausbildung.

Praktikum, Ausbildung und Weiterbildung im Sternbild

Praktikum

Wir bieten Möglichkeiten ein Sozialpraktikum oder ein Vorpraktikum zu absolvieren.

Ausbildungen

Wir bilden Behindertenbetreuer, Sozialpädagogen und Arbeitsagogen aus. Die Praxisanleitung in unserer Institution wird durch eine diplomierte Sozialpädagogin, einen diplomierten Sozialpädagogen gemäss unserem Ausbildungskonzept gewährleistet.

Weiterbildung

Interne und externe Weiterbildungen sind ein fester Bestandteil unserer Institution.

Zivildienst im Sternbild

Wir sind eine anerkannte Zivildienstinstitution.

Rundgang

Das Sternbild - Lebensraum für 48 Bewohnerinnen und Bewohner.

Wohnbereich

Der Wohnbereich soll für die Bewohnerinnen und Bewohner ein bleibendes Zuhause, ein Daheim sein.

Zimmer

In den einzelnen Wohngruppen bieten wir 1er und 2er Zimmer mit der Möglichkeit einer individuellen Möblierung für insgesamt 6 BewohnerInnen an. Jedes Zimmer ist mit einer eigenen Nasszelle ausgestattet.

Bad

Wir verfügen über modern eingerichtete behinderten gerechte Pflegebäder.

Wohnen und Essen

Jede Wohngruppe bietet Lebensräume an, die nach den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner gestaltet sind.

Gartensitzplätze

Zu jeder Wohngruppe gehört ein Gartensitzplatz mit individuellem Ambiente und eigenem Eingang

Rubrik Aktuelles (Datum 12. 11. 04)

Zur Zeit sind keine News eingetragen.

(Quelle: http://www.sternbild.ch / Stand vom 12. 11. 2004)

 

Soweit die Texte ab der Internetseite der Einrichtung, so wie sie am 12. November 2004 aufgeschaltet waren.

Das Porträt zeigt eine  moderne, klar strukturierte, kantonale Einrichtung, die über fast alles verfügt, was es heute braucht, um professionell zu erscheinen. Sie ist selbstverständlich zertifiziert, was die Qualität anbelangt.

Was soll man nun tun angesichts des Desasters?

Man kann sagen – Gott sei dank, man dankt ihm manchmal für die ausgefallensten Sachen –  also Gott sei dank sind wir Menschen, und wo Menschen sind passieren Fehler. Sie sind bedauerlich, sie sind in ihrem Ausmass schrecklich und unverzeihlich, aber sie geschehen halt und im übrigen hat die Regierung unverzüglich ihre Verantwortung wahrgenommen und hat mit der Entlassung und Freistellung gehandelt. Externe Hilfe wurde angefordert. Man hat getan was man konnte und man drückt sein Bedauern aus. Nach Katatstrophen kann man immer nur aufträumen. Die Frage bleibt, was man vor ihrem Eintreten tun kann und was zu tun nicht möglich ist.

 

Man kann sagen: solche Vorfälle sind für alle totalen Einrichtungen typisch, sie kommen zwar selten, aber sie kommen immer wieder vor. Sie sind bedauerlich, gewiss, man tut, was man kann, aber der Faktor Mensch (vgl. oben).

Man kann auch sehr zynisch sein und sagen: was wollen Sie, die Einrichtungen müssen sparen, gerade heute bei den leeren Kassen, dort wird wenigstens kein Essen vergeudet.

Zynismus ist in einem solchen Fall Ausdruck der Verzweiflung und der Vernichtung und dem Nichtzulassen von Trauer.

Man kann auch schweigen und weinen.

Weinen darüber, dass solche Vorkommnisse geschehen obwohl sie niemand gutheisst, geschweige denn anstrebt.

Wir lieben sie nicht die Trauer, sie ist die ungeliebte Stiefschwester der Spassgesellschaft, niemand will beim Tanzen am Rande des Vulkans noch hören, dass man auch abstürzen könnte.

Dennoch kann auf die Trauer nicht verzichtet werden, genauso wenig wie auf den Tod, beide gehören sie zum Leben, zu unserem Leben.

Und nach der Trauer, wird man sich fragen, ob es so kommen musste, weil es so kam; ob man alles vorgekehrt hat, dass es nicht passieren konnte. Und man wird unweigerlich nach der Qualität der Führung fragen. Man wird wissen wollen, wie denn im Rahmen des QM die Prozesse definiert worden sind, wie ihre Einhaltung überwacht wird, wer dafür die Verantwortung zu tragen hat, wie diese Verantwortung performiert wird usw.

Als Aussenstehende wird man selbstverständlich auf diese Fragen keine Antworten erhalten. Sie gehören zum Scham- oder Intimbereich einer Einrichtung, der nicht gezeigt wird.

Mit einem gewissen Recht übrigens, denn sonst könnte überhaupt nicht gearbeitet werden.

Aber, wenn solche Vorfälle sich ereignen – und sie ereignen sich immer wieder und wieder, wie andere Delikte auch – dann ist immer ein Vertrauen zerstört worden und Vertrauen entsteht nur durch Vertrauen. Und dieses wieder braucht zu seiner Verfertigung Öffentlichkeit.

Doch manchmal muss man die Texte genauer betrachten, die hier publiziert sind.

Es ist sehr interessant, was etwa auf der Homepage der Einrichtung publiziert ist:

Auf der Homepage dieser Einrichtung steht etwas über ihre Geschichte:

Jede Institution hat eine Geschichte. Diese hier ist eine besondere Geschichte. Es ist eine Geschichte der Unwürdigkeit, das Grauens und der Hilflosigkeit.

Wir wollen hier nicht auch nicht die Geschichte des Ortes beschwören, wo ein Mord zu sühnen war, der vor vieln hundert Jahren erfolgte.

Agnes, die Königin von Ungarn und Gründerin der Universität Krakau, an der später  Kopernikus studieren wird, hat hier auf dem Gelände des ehemaligen römischen Legionslager Vindonissa, ein KlarissInnen- und Dominikanerkloster einrichten lassen, zum Gedenken an ihren Vater, den König Albrecht von Ungarn, der seinen Neffen Johannes um dessen Güter betrog und von diesem  hier am 1. Mai 1308 von eben diesem Johannes ermordet wurde, der später den Beinahmen Parricida hiess und der am   13. Dezember  1313 oder 1313 vermutlich in Pisa als Mönch gestorben ist, und den Friedrich Schiller in seinem Stück «Wilhelm Tell» im fünften Aufzug auftreten lässt, um den «Vatermörder» vom Mörder am Landvogt Gessler zu unterscheiden.

Im Zuge der Reformation ist die Klosteranlage aufgehoben worden und die Berner Regierung richtete ein Spital ein. Diese Einrichtung ging an den Kanton Aargau über, der hier seine stationäre Psychiatrie einrichtete. Soviel zur Vorgeschichte.

 

Die Geschichte des Sternbildes beginnt im Jahre 1996 – selbstverständlich wie alles schon ein wenig vorher, aber lassen wir sie hier beginnen – mit der Eröffnung der Einrichtung.

Die Menschen die sie bewohnen – die Einrichtung nennt sie in ihrem Sternbildkompass «BewohnerInnen», die Agentur (ap) «InsassInnen» – bringen ihre Geschichte mit. Sie sei hier nochmals im Wortlauf zitiert:

 

«Die meisten der heutigen Bewohner/innen waren Patientinnen oder Patienten der Psychiatrischen Klinik in Königsfelden. In der Regel wurden sie aufgrund ihrer Verhaltensauffälligkeit nach einer langen Irrfahrt durch verschiedenste Heime eingeliefert.

 

Sie kamen dorthin, weil sie nirgendwo getragen werden konnten und für die psychiatrische Klinik als einzige Institution der Aufnahmezwang gilt. In der Folge lebten sie während Jahren und Jahrzehnten in grossen Frauen- oder Männerabteilungen. Es stand im Gegensatz zu heute sehr wenig Personal zur Verfügung. Obwohl dieses sein Möglichstes tat, waren die Menschen versorgt. Provokativ gesagt, von der Gesellschaft aufgrund ihres schwierigen Verhaltens entsorgt. Dieser Zustand war nicht nur in Königsfelden gegeben, sondern europaweit. Es war ein Zeichen des Zeitgeistes.

 

In den Jahren um 1980 begann sich immer mehr die Erkenntnis durchzusetzen, dass die psychiatrischen Kliniken nicht der richtige Ort für Menschen mit einer geistigen Behinderung sind. So wie auch für uns sogenannt "Normale" die Klinik bei einer psychischen Krise ein Ort der Heilung sein soll, so soll sie dies auch für diese Menschengruppe sein.

 

Es wurde versucht, die behinderten Menschen in Heimen ausserhalb zu platzieren. Doch für die Meisten konnte kein Platz gefunden werden. Neue Institutionen wurden geplant und realisiert. Solche Institutionen konnten aus dezentralen Wohneinheiten (in verschiedenen Gemeinden) bestehen oder aus einem Wohnheim.

 

Dies geschah nicht nur im Kanton Aargau, sondern europaweit. Eine solche neugegründete Institution ist das Wohn- und Beschäftigungsheim Sternbild, welches seinen Betrieb am 5. August 1996 aufnahm.»

 

Die Geschichte sagt, dass die meisten der hier lebenden BewohnerInnen eine Irrfahrt durch verschiedene Einrichtungen und die Psychiatrie hinter sich haben, bevor sie in diese Einrichtung eintreten.

Sie hatten diese Irrfahrten antreten müssen im Zeichen des Zeitgeistes, gewiss jeder hat sein Karma und jede Zeit ihren Geist, die menschenverachtende Behandlung behinderter Menschen mit dem Zeitgeist zu erklären, heisst im Klartext, es war eine menschenverachtende Zeit, anderfalls wären Akteure zu nennen, Verantwortungen zu bezeichnen usw. Da man darauf verzichtet, Verantwortliche zu definieren, bleibt die Verantwortung der Allgemeinheit bestehen.

Diese Menschen kamen in die Psychiatrie, weil sie nirgendwo sonst tragbar erschienen, sie lebten in der Psychiatrie «jahrzehntelang» in Männer- und Frauenabteilungen und «es stand im Gegensatz zu heute sehr wenig Personal zur Verfügung» (ein Zustand der sich ändern könnte, falls man an die Sorgenfalten gewisser Politiker angesichts leerer Staatskassen denkt, zu deren Leerung sie sich aufs äusserte anstrengten).

Die in der Einrichtung «Sternbild» wohnenden Menschen mit einer Behinderung sind aufgrund ihrer «Verhaltensauffälligkeit», die sie in den bisherigen Einrichtungen untragbar gemacht hatte, auf einer Irrfahrt durch Einrichtungen hier gelandet oder gestrandet.

So wie sie heute sind, vermag niemand zu sagen, was an ihrer Verhaltensauffälligkeit ihr eigener nicht reduzierbarer Beitrag ist und was die Folge ihrer Situation ist.

Aber das gilt für jedes menschliche Verhalten, denn Verhalten ist es etwas, das in einem Verhältnis entsteht erst entsteht.

Kein Mensch ist «verhaltensschwierig» per se.

Es sind die Verhältnisse, die Menschen als verhaltensschwierig wahrnehmbar werden lassen. Das impliziert allerdings das Vorhandensein einer Instanz die als gesellschaftlich berechtigt sich zu inszenieren vermag, Menschen dergestalt zu ettikettieren.

Dieser Umstand wiederum verführt viele Menschen dazu, zu meinen, wenn man denn nur dieser Verhätlnisse verändern würde, dann wäre alles gut.

Aber dem ist nicht so.

Gewiss, vieles lässst sich immer besser machen und es ist notwendig, das einzuklagen, dafür zu kämpfen und damit ist schon viel gewonnen.

Aber – und dieses Grundlegende aber ist hier wichtig und nicht der Einwurf des ewigen Enmerdent, der nichts Gutes stehen lassen kann – aber das Drama der Behinderung beginnt dort, wo die Menschen sich nicht anders verhalten können, weil sie sich nicht anders verhalten können. Und das zu verstehen sind wir noch weit entfernt.

«Verhaltensauffälligkeit» ist eine systemische Eigenschaft, genauso wie «Solidarität» und «Konkurrenz».

Wir haben eine fatale Neigung, gewisse von uns positiv oder negativ  besetzte Phänomene – je nach Weltanschauung – dem «System» oder der «Person» zu schreiben.

Und offenbar sind wir auch im Rahmen gewisser Rahmungen solches auch zu tun.

Dabei vergessen wir, dass es sich verhält wie mit der Musik. Sie ist weder in der Geige noch im Geiger oder auf den Noten: sie ertönt nur, wen der Geiger auf der Geige die entsprechenden Noten spielt. Verändert man eine dieser drei Randbedingungen, dann handelt es sich nicht mehr um die gleiche Musik.

Was am Beispiel der Geigenmusik so einleuchtend und einfach erscheint, scheint im Hinblick auf das Denken des Sozialen so ungemein schwierig zu sein, dass wir nicht einmaldenken können, Denken sei eine kollektive Tätigkkeit. Darüber wäre nachzudenken.

 

Die Leid/tbilder

Leitbilder braucht es, genauso wie Konzepte, Stellenbeschriebe, Pflichtenheft usw.

Das Problem liegt denn auch meistens nicht in diesen festgeschriebenen Rollenerwartungen, pädagogischen Maximen oder Führungsleitsätzen, sondern dort, dass es, aus meist schwierig eruierbaren Gründen sehr oft nicht gelingt, die in den Leitbildern fixierten Wertvorstellungen in ein diesen Werten entsprechendes Handeln umzusetzen.

Erziehung entscheidet sich immer in der Performanz der Akteure, weil sie in einem gewissen Sinne nichts anderes ist, als Interaktion.

Es scheint in allen Einrichtungen einen dauernden und ausgeprägten Hiatus zu geben zwischen ihrem Ideal und ihrer Wirklichkeit.

Das spricht nicht gegen die Ideale, die der Orientierung dienen.

Es spricht auch nicht gegen die Differenz zwischen Ideal und Wirklichkeit, denn Ideale können nicht eins zu eins umgesetzt werden, so etwasendet beinahe immer im Totalitarismus. Das hängt damit zusammen, dass es offenbar epistemologisch gesehen eine Differenz zwischen der Idee und der ihr zugeschriebenen Beschreibung in der sozialen Wirklichkeit gibt.

Das verweist auf den Umstand, dass wie auch immer eine Einrichtung konzipiert, gestylt und geführt wird, diese Diskrepanz notwendig ist und dass es zur Aufgabe der Führung gehört, darüber zu wachen, dass die Diskrepanz innerhalb jenes Rahmens liegt, der vor den Zielen verantwortbar ist.

Das ist ja inzwischen auch in der modernen Managmentlehre erkannt und die Angebote der Beratungsfirmen, die hierbei helfend eingreifend, ihr Geld verdienen möchten, gehen in die Legionen.

In erster Linie soll das Qualitätsmanagement hier helfen. Dafür wurde es vermeitnlich erfunden. Aber auch die Beschreibung der Abläufe und ihre Überprüfung, so notwendig sie sind, um in systemtheoretsichen Sinne, das Handelnl wenigstens ein Stück weit zu trivialisieren, um es voraussagbarer und stererbarer zu machen,  wird diesen Hiatus nicht aufheben können.

Der Umgang mit «schwierigen Menschen» ist schwierig.

Und es ist ganz einfach, weshalb dem so ist.

Würden diese Menschen in der Gesellschaft normal funktionieren, so wären sie nicht in der Einrichtung.

Sie sind in der Einrichtung anwesend, weil ihr Funktionieren so ist, dass die anderen Menschen damit nicht so umgehen können, wie sie es erwarten, dass normale Menschen miteinander umgehen.

Ich weiss sehr wohl, wie gefährlich der Begriff des «Normalen» ist und wie stigmatisierend und ausgrenzend er verwendet werden kann.

Die Menschen, die im «Sternbild» leben, sind Menschen, die auf fast allen Dimensionen, die für das Zusammenleben von Menschen wichtig sind, in einer Differenz zu den Menschen leben, die in dieser Einrichtung nicht als Insassen anwesend sind. Deshalb sind sie hier. Wenn sie so sind, wie sie sind, dann will keiner sie haben.

So steht es in der Geschichte der Einrichtung. Dazu wurde sie geschaffen. Hier sieht sie ihre Aufgabe.

Also leben sie hier in einem besonderen Territorium, der Sozialstaat hat ihnen hier ein Habitat eingerichtet, wo sie leben und wohnen und betreut sind von Personal, das eine minimale professionelle Ausbildung mitbringen muss, damit es an diesem Ort tätig werden kann.

Das Leitbild sagt, dass es von den Ressourcen der BewohnerInnen ausgeht. Wir wissen nicht, weshalb die Betreuerin der Bewohnerin die Hand auf dem heissen Kuchenblech verbrannt hat. Aber ich weiss aus eigener Erfahrung, wie schmerzhaft Verbrennungen mittleren Grades auf der Handfläche sind, weil ich einmal aus Unachtsamkeit mich auf eine auf das Maximum geschaltete heisse Herdplatte gestützt habe, um mich zu vergewissern, ob die Platte eingeschaltet ist. Ich bin mit der Hanbdfläche meiner rechten Hand auf der Platte kleben geblieben. Verbrennungen tun ausserordentlich stark weh, und ich vermute, dass Verbrennungen, die einem mit Absicht beigefügt werden doppelt schmerzhaft sind, aber das ist kein Erfahrungswert sondern eine subjektive Projektion.

Ein «Daheim» für die BewohnerInnen will die Einrichtung bieten. Das ist richtig und nötig, denn sie haben keine andere Bleibe.

Das Bild auf der Homepage mit der Rubrik «Kontakt» zeigt die Einrichtung im Hintergrund, vorne im Bild blickt man auf eine Frühlingswiese voll mit blühenden Osterglocken.

Ostern das christliche Frühlingsfest, das Fest an dem die Auferstehung gefeiert wird, nachdem am Karfreitag das Tal des Todes durchschritten wurde.

Christus ist den Opfertod am Kreuz gestorben, und er ist wieder auferstanden am dritten Tag.

Das feiert man wohl.

Und man sucht auch Ostereier im Gras, das man wachsen lässt, über dem was war.